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Johannes Oberthür - Künstler, Philosoph

Als Künstler und Philosoph bin ich ausgebildet. Instinktiv entschied ich mich früh für beide Wege. Erst in Kassel, wo ich geboren wurde, später in München, wo ich zu studieren begann, dann in Berlin und in meinem Haus (an einem Waldrand zwischen Emden und Oldenburg), wo ich wechselweise lebe und arbeite, widme ich mich den Aufgaben, die Kunst und Philosophie je auf ihre Weise stellen. Beide Wege gehören für mich zusammen. Die eine dient der jeweils anderen. Die eine aber kann die andere nicht ersetzen, kann niemals deren Aufgabe erfüllen. - Publiziert habe ich nach meiner Dissertation über Heidegger verschiedene Artikel und Aufsätze. Bilder und raumbezogene Arbeiten zeige ich seit vielen Jahren auf Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Ein weiteres Tätigkeitsfeld bildet die Lehre. In verschiedenen Einrichtungen, unter anderem an der Freien Universität Berlin, gebe ich, was mich bewegt, weiter. Meine Lehrtätigkeit bildet einen wesentlichen Bestandteil meiner philosophischen und künstlerischen Arbeit. Die Ausgangsposition dieser Arbeit sei im folgenden skizziert.

Thema des Philosophen und des Künstlers ist sein Sehen. Im Sehen gründet alles, was er sagt und zeigt. Sehen ist Sache der Augen. Aber kein Auge sähe ohne das Sehen des Geistes. Was sieht, ist auch Geist, Bewusstsein. Menschliches Bewusstsein sieht zudem sich selber. Es findet sich, ohne gesucht zu haben. Es ist sich selber ein Rätsel. Aus dem Bewusstsein der eigenen Rätselhaftigkeit erwachsen Fragen. Diesen Fragen kann man sich stellen. Man kann sich auch vor ihnen verstecken. Wer sich versteckt, betreibt dies und das. Wer sich stellt, betreibt Philosophie. Philosophie beginnt nicht mit dem Lesen von Büchern. Nur die Gelehrten müssen erst lesen, um zu denken, wie Nietzsche sagt. Philosophie beginnt mit dem Achten auf das Rätsel der Existenz, der eigenen und der anderen. Philosophie stürzt sich in das Abenteuer des Bewusstseins vom Leben. Philosophie pflügt und bestellt den Boden des rätselhaften Hierseins, auf dass wir immer aufs neue stehen und stürzen, staunen und bauen. Wo wir zu bauen beginnen, beginnt die Kunst.

Philosophie ist das Abenteuer des Bewusstseins vom Leben. Dieses Leben ist voller Rätsel. „Wir stecken in lauter Wundern“, sagt Goethe, fast achtzigjährig, zu Eckermann. Unter allen Wundern, auf die unsere Existenz überall stößt, ist sie selber eines. Das Achten auf die Wunder der Welt und auf die Wunder der eigenen Existenz lehrt Philosophie. So bestellt sie den Boden. Das Achten auf die Wunder erregt immer aufs neue: Bewunderung. Wer bewundert, staunt. Wer staunt, lässt sich begeistern. Wer begeistert ist, kann nicht an sich halten. Ihn drängt es zum Ausruf. Er will die Rätsel nicht nur sehen und raten. Er will den Rätseln auch seine Stimme leihen. Die Suche nach der Stimme für die Begeisterung des eigenen Sehens ist Sache der Kunst. Sie entspringt im Bewundern inmitten der Wunder, im Staunen inmitten der Rätsel. Mitten hinein in Wunder und Rätsel versetzt Philosophie, indem sie die Augen weitet zur Begeisterung. Für das, was die Augen begeistert sehen, sucht der Künstler die rechte Sprache. So sind beide, Philosophie wie Kunst, verschiedene Kinder desselben Sehens, derselben Begeisterung.