seitenkopf johannes oberthuer
foto johannes oberthuer kunst


Zitat aus dem Manifest von Johannes Oberthür als Typo-Objekt im Blindfenster der Galerie Ohse in Bremen.
Das Manifest

1. Die Zeit der Manifeste ist vorbei.

2. (Dem Himmel sei Dank.)

3. Maler, die radikal reduzieren, wollen (nicht selten) entweder zu viel oder zu wenig.

4. Die Meister früher haben das Licht, genauer: die Wirkungen des Lichtes ins Bild gefasst; heute stehen wir vor einer anderen Aufgabe (die wohl sehr im Stillen zu leisten ist): das Licht, das sich nicht malen lässt, durch das, was sich malen lässt, zur Präsenz gelangen zu lassen.

5. Die Farben untereinander und die Präsenz des Lichtes wären in Einklang zu bringen (das heißt zu einem Bildraum zu gestalten).

6. Einklang, Harmonie gibt es nicht ohne Streit, Disharmonie.

7. Die Malerei ergibt sich aus dem Sehen; das Sehen ergibt sich aus der Malerei.

8. Jede Epoche der Malerei beginnt vor dem historischen Hintergrund, dass es mit der Malerei zuende ist; jeder Maler muss zu seiner Stunde die Malerei neu erfinden.

9. Jedes Sehen ist neu; es sieht immer zum ersten Mal.

10. Man malt, weil man sieht; und man malt, um zu sehen; beides wäre zu integrieren.

11. Man sieht nur, was man malt; hingegen was man weiß, sieht man gerade nicht.

12. Wissenschaft und Kunst kommen darin überein, dass sie das Erstaunliche nicht zu erklären, nur Ausdruck zu finden vermögen für das Erstaunliche.

13. Das Erstaunliche beruht im Sehen, in der Berührung.

14. Dem Denken eines Denkers entspricht man nicht, indem man über es redet und schreibt, sondern indem man denkt.

15. Der Malerei eines Malers entspricht man nicht, indem man über sie redet und schreibt, sondern indem man malt.

16. Wenn etwas bildet, ist es Kunst (bildende Kunst).

17. Das Gespräch führt (Gesprächsführung).

18. Wer glaubt, in der Malerei mit der (vermeintlichen) Fülle der Inhalte die Formprobleme überspringen zu können, wird viel (vermeintlichen) Inhalt produzieren, aber keine Malerei (keine Kunst).

19. Für die wirklich Lebendigen, das heißt für die, die sich ein Leben lang dem Leben aussetzen (seinen Gefährdungen, Ängsten, Bodenlosigkeiten), ist ihr ganzes Leben eine Nahtoderfahrung.

20. (Der Erde sei Dank.)

21. Malen, warum? Um dem Augenblick nahe und immer näher zu sein; Sein, Sehen ist nur im Augenblick.

22. Solange Leben ist, wird Kunst sein, vice versa.

23. Solange Leben und Kunst sind, sind sie nicht abgeschlossen; Ideen des Endes, der Vollendung sind Fiktionen, denen in Wahrheit nichts entspricht; die höchste Vollkommenheit bekundet sich, wenn überhaupt, in Werden und Scheitern.

24. Es gilt und etwas treibt immer: weiterzugehen.